Bistritz und Wels – Wege zur Partnerschaft

Es gibt in unserem Leben immer wieder Gelegenheiten, die man möglichst nicht verpassen sollte. In der keineswegs alltäglichen Konstellation Bürgermeister Ovidiu Creţu Bistritz), Bürgermeister Dr. Peter Koits (Wels), Ehrenobmann Konsulent Dr. Fritz Frank (Linz) und Studiendirektor a.D. Horst Göbbel (Nürnberg) ging es bei einem ersten Gespräch am 4. Dezember 2012 bei einem Treffen in Wels um erste Schritte auf dem Weg zu einer künftigen Partnerschaft von zwei Städten, die für die Nordsiebenbürger Sachsen historische Symbolik besitzen. 1944 war Bistritz der geografische Bezugs- und Ausgangspunkt der Evakuierung von ca. 40.000 Deutschen aus Nordsiebenbürgen während die Stadt Wels symbolisch den Ort darstellt, wo diese angekommen sind. Die größte Anzahl der Siebenbürger Sachsen in Österreich lebt auch heute noch in Oberösterreich, Wels als offizielle Patenstadt der Heimatvertriebenen ist für die Siebenbürger Sachsen das österreichische Dinkelsbühl.
Ein Treffen dieser Art ist günstig für einen entscheidenden weiteren Schritt in unserem Bemühen, einerseits das siebenbürgisch-sächsische Kulturerbe so gut wie möglich zu erhalten und in den europäischen Kontext einzugliedern (was ohne unsere Nachfolger in Rumänien nicht gelingen kann) und andererseits die rumänische Bevölkerung an unser Kulturerbe heranzuführen, damit es als Teil der historischen Leistung auf dem Gebiete Siebenbürgens bzw. seit 1918 auch Rumäniens wahrgenommen wird. Wer es annimmt, kümmert sich auch darum. Dazu gehört auch ein historisches Bewusstsein bei den Menschen in Siebenbürgen, das uns Siebenbürger Sachsen mit unseren Leistungen und unseren harten Zeiten nicht ausklammert.
Für uns Nordsiebenbürger war die Evakuierung der Deutschen 1944 ein einschneidendes existentielles Ereignis. Dies in unserem Bewusstsein zu stärken und ins Bewusstsein der rumänischen Bevölkerung überhaupt einzufügen, ist uns wichtig, beantwortet zugleich auch Fragen, die sich manche Menschen vor Ort stellen, wenn sie merken, sie wohnen in Städten und Dörfern, die wirklich anders sind als die üblichen rumänischen Orte, die wohl eine andere Geschichte haben, die man auch kennen sollte. Wir, unsere Generation, wir sind dafür zuständig, alles daran zu setzen, diese Notwendigkeiten voranzubringen.
Das Jahr 2014 mit der 70ten Wiederkehr der Evakuierung der Deutschen aus Nordsiebenbürgen im Herbst 1944 klopft an unsere Tür. Dies auch der rumänischen und ungarischen Bevölkerung in Nordsiebenbürgen bewusst zu machen, ist ebenfalls eine unserer großen Aufgaben. Wenn in Bistritz tatsächlich ein Denkmal der Evakuierung 2014 aufgestellt würde, käme dies fast einer Sensation gleich. Dass wir, die HOG Bistritz-Nösen, die das Treffen in Wels durch ihren Ehrenvorsitzenden Dr. Fritz Frank eingefädelt hat, voll dahinter stehen, steht außer Frage. Und sowohl in Bistritz als auch in Wels im Herbst 2014 der Evakuierung zu gedenken, das ist einerseits anzustreben und andererseits machbar.
Zunächst präsentierten die beiden Bürgermeister Grunddaten zu ihren Städten (Bistritz ca. 75.000 Einwohner, Jahresbudget ca. 40 Millionen Euro, Stadt im Aufschwung – wirtschaftlich, bildungsmäßig, kulturell -, vorwiegend orthodoxe Bevölkerung, ca. 200 Deutsche, partizipiert umfassend am EU-Regionalentwicklungsfonds, hat 5 Partnerstädte: Herzogenrath, Zielona Gora (Polen), L´Aquila (Italien), Besançon (Frankreich), Columbus (USA), ist bestrebt, die sächsische Vergangenheit der Stadt vielfältig in ihr Leben mit einzubeziehen. Wels ca. 62.000 Einwohner, Jahresbudget ca. 210 Millionen Euro, Wirtschaft: namhafte internationale Großbetriebe, starke Klein- und Mittelbetriebe, Messestandort, nationaler und internationaler Verkehrsknotenpunkt, breites Kulturgeschehen; Partnerstädte: Tabor (Tschechien), Straubing, Chichigalpa (Nicaragua) und mehrere Wirtschaftspartnerschaften, Patenstadt der deutschen Heimatvertriebenen. Wels war für zahlreiche große Heimattage der Siebenbürger Sachsen Austragungsort, zuletzt Ende September 2012.
Im Laufe des Gesprächs wurde beiderseitig ein positives Interesse an einer möglichen Partnerschaft festgestellt. Bürgermeister Creţu lud Bürgermeister Dr. Koits mit einer Delegation zum großen Stadtfest vom 23.-25. August 2013 aus Anlass des 450jährigen Kirchweifests der ev. Stadtpfarrkirche nach Bistritz ein. Dr. Fritz Frank stellte die Überlegung in den Raum, 2014 das geplante Vertreibungsgedenken der Nordsiebenbürger Sachsen und eine eventuelle Proklamation einer Städtepartnerschaft Bistritz-Wels mit dem Erinnerungstag der Heimatvertriebenen zusammenzulegen. Als Zeitplanung sollte uns vorschweben: 2013.
1. Quartal: Klärung der Verwaltungsvorgänge,
2. Quartal: Programmgestaltung durch eine Arbeitsgruppe,
3. Quartal: Genehmigung des Programms durch die Magistrate und alle betroffenen Gemeinschaften,
4. Quartal: Organisatorische Kleinarbeit, Finanzierungskonzept.
Im Jahre 2014 frühe Publizität, Werbung und im Herbst Durchführung. Horst Göbbel hob die breite Zusammenarbeit mit allen Partnern hervor. Im gesamten Prozess sind der Verband der Siebenbürger Sachsen in Österreich (besonders der Landesverband Oberösterreich), der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, der Verband der siebenbürgisch-sächsischen Heimatortsgemeinschaften (hier in besonderem Maße die HOG Bistritz-Nösen als Initiator, sowie die Regionalgruppe Nordsiebenbürgen) mit einbezogen.
Inzwischen stehen die Termine für 2014 fest: 12.-14. September Gedenkveranstaltungen in Bistritz, 26.-28. September Gedenkveranstaltungen in Wels mit möglicher feierlicher Partnerschaftsproklamation zwischen Bistritz und Wels.
Horst Göbbel