Günter Klein

Unabhängig aus welcher Himmelsrichtung sich der Reisende der Stadt Bistritz nähert, erblickt er bereits kilometerweit vor der Stadtgrenze den Kirchturm (Stadtturm) der evangelischen Kirche A.B., das unübersehbare Wahrzeichen der Stadt[1].

 

 

Die Bistritzer waren schon immer besonders stolz auf ihren Kirchturm, und als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Mode aufkam, Ansichtskarten zu versenden, auf denen besondere Sehenswürdigkeiten der Stadt abgebildet waren, gehörten Fotografien, auf denen der Kirchturm zu sehen war, zu einem der meistverbreiteten Motive. Um keinerlei Zweifel aufkommen zu lassen, vermerkte man auf diesen Postkarten, dass es sich um den höchsten Turm Siebenbürgens handelte.

 

Der bedeutendste siebenbürgisch-sächsische Kunsthistoriker, Dr. Victor Roth vermerkte dazu: „Den unbefangenen Beobachter fesselt in erster Linie das Raumbild, das durch seine außerordentliche Länge und Höhe einen Zug ins Große in sich trägt“[2].

Die Ursprünge des Kirchturms bzw. der Kirche verlieren sich im Dunkeln der Geschichte. Vermutlich gab es bereits im 12. Jahrhundert eine Kirche[3], die die Einwanderer inmitten des Marktplatzes gebaut haben, es ist jedoch nicht bekannt, welchem Heiligen sie geweiht war. Von dieser Kirche sind keinerlei Baureste erhalten geblieben. Es wird vermutet, sie sei einschiffig gewesen und diente, nachdem sie während des Mongolensturms 1241 zerstört und danach wieder aufgebaut wurde, als Wehrkirche mit Ringmauer und befestigten Türmen[4]. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wich sie einem basilikalen Neubau mit verlängerter Längsachse, die sich vermutlich unter dem Patronat des Heiligen Nikolaus befand[5]. Vermutlich handelte es sich um ein Kirchengebäude im romanischen Stil mit zwei Türmen[6], das der romanischen Kirche in Mönchsdorf ähnelte. Zu Beginn des XVI. Jahrhunderts war es bereits ziemlich baufällig[7]. Bevor die Bistritzer jedoch das Kirchengebäude umbauten, begannen sie mit dem Bau eines neuen Kirchturms. 

Der Bau des Kirchturms

Der Neubau des Kirchturms begann um 1470 und ging Hand in Hand mit den Befestigungsarbeiten (dem Bau der neuen Stadtmauer), die bereits 1465 in Angriff genommen wurden, denn der neue Kirchturm sollte neben religiösen Zwecken vor allem als Wachturm für die Sicherheit und Verteidigung der Stadt dienen[8].

Der Nordturm der alten Nikolauskirche war bereits im 15. Jahrhundert derartig baufällig geworden, dass er abgerissen werden musste. An seiner Stelle entstand ein neuer Turm, der außerhalb der Außenmauern der Kirche stand und aus Gründen der Standsicherheit nicht mit der Kirche verbunden war. Die Verbindung mit dem Mauerwerk der alten Kirche erfolgte erst 1487[9].

Die Bauzeit des Turms lässt sich anhand der erhaltenen Inschriften mit ziemlicher Sicherheit feststellen. In der Mitte des zweiten Stockwerks ist auf einem Stein die Jahreszahl 1487 eingemeißelt, am oberen Rand des dritten Stockwerks ist die Jahreszahl 1509 und der Name Fabianus Eiben (der damals Oberrichter war) zu erkennen[10], am vierten Stock das Jahr 1513 und schließlich am fünften und letzten Stockwerk die Jahreszahl 1519[11].

 

Am 22. August 1520 erhielten die Zimmerleute eine Entlohnung für das Aufziehen der drei Glocken[12] auf den neuen Turm (sieh Beitrag Hans Franchy)[13]. 1544 wurden die Turmknöpfe durch Stefan Kezler (Kessler) aufgesetzt und vergoldet, wofür letzterer mit 7,33 Gulden entlohnt wurde. Zu diesem Zeitpunkt sprach man noch von dem „turris majoris“, im Gegensatz zu dem noch stehenden niedrigeren Südturm[14]. In diesem Jahr wurde kurz vor Weihnachten die Turmgalerie fertiggestellt, wofür die Steinmetzen Georg und Simon 4,80 Gulden erhielten. Auch am Turmdach wurde 1544 bereits gearbeitet, denn man gab 42,89 Gulden für Ziegeln und Turmdach aus[15]. Am 11. November 1563 wurden 10,50 Gulden für Schmuckziegel ausgegeben. Die Turmdeckung wurde vom Zimmermann Foisel ausgeführt[16]. Wegen Geldmangels musste der Turmbau immer wieder unterbrochen werden, letztendlich dauerte es über 50 Jahre bis der Turm vollendet war. Dafür schufen unsere Vorfahren ein Bauwerk, das nicht nur eine Zierde für ganz Siebenbürgen war, sondern dermaßen solide gebaut war, dass es zwei Großbränden standhielt, nämlich jenem von 1857[17] und dem letzten von 2008.

 

Der Turm ist in einfachen Formen erbaut und weist nur wenige Schmuckmotive auf. Die Seitenlängen der quadratischen Grundfläche betragen 9,20 m, die Sockellängen 9,40 m. Die genaue Höhe des Kirchturms ist am 30. Juli 1953 durch trigonometrische Höhenmessung mit rund 75 m festgestellt worden. Gemessen wurde vom westlichen Turmfuß bis zur Spitze des Blitzableiters[18].

 

Die drei untersten Stockwerke sind voneinander durch einfach profilierte Steinsimse, das dritte vom vierten Stockwerk durch ein gotisches Fries, das vierte vom fünften, durch die Galerie getrennt[19].

Über dem gotischen Fries bzw. unterhalb der Galerie, waren in Turmecken vier steinerne Bildsäulen eingebaut. Da die Figuren stark verwittert waren, wurden sie unterschiedlich zugeordnet. Laut Kurt Csallner handelte es sich in Richtung Beutlergasse um die Mutter Gottes mit dem Jesuskind, in Richtung Holzgasse um den Heiligen Florian, in Richtung Ungargasse um die Heilige Anna und in Richtung Spitalgasse um den Heiligen Josef mit dem Jesusknaben[20]. Otto Dahinten war der Meinung, dass es sich bei der Figur in Richtung Spitalgasse um den Heiligen Nikolaus, den Schutzheiligen der Kirche, handelte[21].

Theobald Wortitsch vermutete, dass der Turm ursprünglich nur mit vier Stockwerken geplant war, da nach „alten architektonischen Gesetzen der mittelalterlichen Bauweisen“ die obersten Geschosse größere Schallöffnungen erhielten als die unteren , so dass die Masse des Turmes nach oben leichter wurde[22]. Beim Bistritzer Turm ist dies jedoch umgekehrt, die Schallöffnung im vierten Stock ist größer als die im fünften Stock. Otto Dahinten teilte die Ansicht, dass der Turm ursprünglich nur vier Stockwerke haben sollte, sah aber den Grund dafür in der Treppenanlage und zwar in der ungewöhnlichen Verlegung der Zugangstreppe, die vom Treppenfeiler über den Dachboden der Kirche in das dritte Stockwerk des Turm über ein einfaches Holzgerüst führte[23].

Auf dem Mauerwerk des Turms erheben sich vier Ecktürmchen mit gotischen Giebeldächern und einem vergoldeten Knopf, aus ihrer Mitte steigt das Hauptdach hervor, das oben einen großen Knopf trägt[24]. Die Gesamtfläche des Turmdachs beträgt 345 m². Der große Turmknopf hat einen Durchmesser von 76 cm, die kleinen Turmknöpfe einen Durchmesser von 58 cm[25].

Die vier Ecktürmchen symbolisieren das Recht der Stadt Bistritz die Blutgerichtsbarkeit (ius gladii) auszuüben, d.h. Todesurteile zu verhängen und zu vollstrecken.

 Der Turm von seiner Vollendung bis zum Großbrand 1857

 Seit dem Jahr 1492 befand sich auf dem Turm ein Wächter, der dort eine kleine Wohnung hatte und dessen Aufgabe es war, vor Bränden und anrückenden Feinden zu warnen. Zu diesem Zweck wurde eine Klingel eingebaut[26].

1537 wurde eine Uhr in den Turm eingebaut (s. Beitrag Hans Franchy). In den Jahren 1577, 1585 und 1563 wurden Arbeiten am Turmdach ausgeführt, im Jahr 1600 zerstörte ein großer Sturm das Dach, was zu kostspieligen Reparaturarbeiten führte.[27] 1623 wurde die Galerie renoviert[28]

Der mittlere Turmknopf wurde am 3. Juli 1715 abgenommen und am 17. Juli 1715 wieder aufgesetzt, 1733 wurde er von einem Fürsten von Sachsen Hildburghausen durchschossen und musste repariert werden. 1781 wurde er vom Blitz getroffen und beschädigt. Er musste abgenommen und wieder neu aufgesetzt werden[29].

1741 wurden die kleinen Turmknöpfe abgenommen, vergoldet und neu aufgesetzt, nachdem einer der Turmknöpfe herabgestürzt war. 1814 wurden die kleinen Turmknöpfe am 2. November ausgebessert, wobei in die Knöpfe Bleiröhren mit Papierrollen eingelegt wurden. Drei von ihnen sollten nach dem Großbrand von 1857 wieder gefunden wurden[30].

 

1817 wurde die Turmgalerie durch Josef Pfeiffer ausgebessert[31]. Am 15. August 1817 bestiegen der österreichische Kaiser Franz I. und Kaiserin Carolina Augusta in Begleitung des evangelischen Bischofs Neugeboren den Turm. Daran erinnerte eine eiserne Tafel mit Goldbuchstaben, die sich an der Ostwand des Turms oberhalb der Galerie befand[32].

 

Der Großbrand von 1857

Am 18. April 1857 brach in der Holzgasse im Haus des Kupferschmieds Daniel Berger, einem Haus, in dem bereits 1836 ein Großbrand ausgebrochen war, um 22 Uhr im Pferdestall Feuer aus. Wegen eines Nordost-Sturms gingen innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Wohnhäuser in Flammen auf. Insgesamt wurden 148 Wohnhäuser zerstört. Auch die Kirche und der Kirchturm gerieten in Brand. Mit Hilfe von Handspritzen konnte man das Kirchengebäude retten, der Kirchturm allerdings fiel den Flammen zum Opfer[33].

 Der Kirchturm hatte durch den Brand stark gelitten, das Dach und die Holzteile waren völlig zerstört und das Mauerwerk im oberen Teil so brüchig geworden, dass man 1,20 m altes Mauerwerk abtragen musste. Es wurde durch neues Mauerwerk ersetzt, das ungefähr 1 m höher war als das alte. Auch das Turmdach wurde wesentlich erhöht. Man war bestrebt, das Äußere des Turms unverändert zu lassen und man nahm Anstand von andersgearteten Plänen[34].

 

Die Mauererarbeiten wurden vom Bistritzer Maurermeister Wilhelm Lenk ausgeführt, die Zimmermannsarbeiten von Michael Zintz und die Steinmetzarbeiten wurden wie im Mittelalter von italienischen Steinmetzen ausgeführt, die unter der Leitung des Steinmetzmeisters Ferdinand Swaril standen[35].

Beim Brand von 1857 wurden die beiden großen Glocken von 1430 zerstört. Die kleine, 1555 in Bistritz gegossene Glocke, überstand den Brand wie durch ein Wunder fast unversehrt[36]. Auch die Uhr und die hölzernen Treppen wurden ein Raub der Flammen. Das mit glasierten Ziegeln gedeckte Dach des Kirchturms wurde völlig zerstört.

Durch einen gewaltigen finanziellen Kraftakt, gelang es der Bistritzer evangelischen Kirchengemeinde bereits 1857 eine 42 Zentner schwere und 1859 eine 24 Zentner schwere Glocke vom Klausenburger Glockengießer Josef Andraschowsky gießen zu lassen[37].

Auch die beim Brand zerstörte Uhr wurde durch eine neue ersetzt. Sie wurde von der Prager Firma Franz Summerecker angefertigt und am 26. Mai 1861 geliefert[38] und nicht mehr unter den vier Ecktürmen sondern in zentraler Position montiert.

Mangels finanzieller Mittel wurde der Kirchturm nicht mehr mit glasierten Ziegeln gedeckt, sondern mit einem hässlichen Blechdach, das man rot anstrich[39]. Mit dieser Arbeit, die vom Spenglermeister Michael Adleff ausgeführt wurde, war man jedoch sehr unzufrieden und prozessierte jahrelang mit diesem Handwerker, wobei die Stadt den Prozess verlor[40].

 

Der Kirchturm im 20. Jahrhundert

 

Um die Jahrhundertwende waren einzelne Konsolsteine dermaßen schadhaft geworden, dass immer häufiger abstürzende Gesteinsbrocken, die Gesundheit der Passanten gefährdeten. Deshalb war um den Turmfuß ein einfacher Staketenzaun angebracht worden. 1903 entschloss man sich, die Galerie einer gründlichen Reparatur zu unterziehen. Zu diesem Zweck wurde ein mächtiges Holzgerüst[41] montiert und die schadhaften Steine ausgewechselt[42].

 

1909 stellte Stadingenieur Oskar Kelp den Antrag, den Kirchturm neu einzudecken und zwar mit „Kupferschuppen“. Dem Antrag wurde stattgegeben. Die Schuppen in der Größe eines Dachziegels besaßen den Vorteil, für bessere Ventilation zu sorgen. Die Arbeiten wurden von der „Ersten Bistritzer Spenglereinigung“ unter der Leitung von Albert Ludwig durchgeführt. Die Bauaufsicht hatte der Stadtingenieur Oskar Kelp. Die Arbeiten dauerten vom 15. April 1909 bis zum 29. Juli 1909. Insgesamt wurde eine Fläche von 344,85 m² eingedeckt, das Gewicht der Kupferschuppen betrug 3634,50 kg. Als der große Turmknopf in Anwesenheit der Magistratsräte Daniel Geist und Karl Sanchen sowie des Stadtingenieurs Gustav Kelp aufgesetzt wurde, war die Freude der Bistritzer sehr groß[43].

 

Die Freude der Bistritzer über das schöne Turmdach sollte nur von kurzer Dauer sein, denn bereits 1916 wurde das Dach wieder abmontiert, da in der k.u.k Monarchie nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs Rohstoffmangel herrschte und man Kupfer für die Munitionsherstellung benötigte. Die Kupferschuppen wurden durch ein hässliches Zinkblechdach ersetzt, das bis ins 21. Jahrhundert auf dem Turm bleiben sollte.

 

Am 4. Juli 1916 wurde die mittlere Glocke, die aus dem Jahr 1859 stammte, von den k.u.k. Behörden demontiert und eingeschmolzen, um damit Geschütze herzustellen. Sie wurde erst 1933 durch eine neue Glocke ersetzt[44]. Diese Glocke, sollte ihrerseits während des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen werden, so dass nur noch zwei Glocken übrig blieben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden nur die dringendsten Reparaturarbeiten am Turm bzw. an der Turmgalerie durchgeführt. Erst nach der politischen Wende 1989 fasste man den Entschluss, die evangelische Kirche A.B. einer grundlegenden Restaurierung zu unterziehen. Mangels finanzieller Mittel verzögerten sich diese Arbeiten ganz erheblich, so das erst 2006 ein Erfolg vorzuweisen war, nämlich die Restaurierung der Westfassade. 2007 wurde der Kirchturm mit einem massiven Holzgerüst um den Turm errichtet und man begann mit der Neueindeckung des Turmdachs mit Kupferblech.

 

Als diese Arbeiten fast abgeschlossen waren, trat am 11. Juni 2008 die Katastrophe ein. Jugendliche Metalldiebe konnten auf die nur mangelhaft gesicherte Baustelle vordringen. Beim leichtsinnigen Hantieren mit Feuer setzten sie das Gerüst in Flammen und innerhalb kürzester Zeit verschlang ein Großfeuer den Kirchturm und einen Teil des Kirchenschiffdachs[45].

 

Der Großbrand vom 11. Juni 2008 und seine Folgen

 

Beim Großbrand vom 11. Juni 2008 wurde zunächst der gesamte Kirchturm verwüstet. Das Turmdach fiel herunter und die Glocken sowie die Turmuhr wurden zerstört. Auch die Holztreppen im Turm fielen den Flammen zum Opfer. Einem Wunder und dem beherzten Eingreifen der Feuerwehren aus mehreren Ortschaften war es zu verdanken, dass nur ein kleiner Teil des Kirchenschiffdachs beschädigt wurde und im Inneren der Kirche nur geringe Schäden entstanden. Auch wurde ein Übergreifen der Flammen auf die Häuser rund um den Marktplatz verhindert.

 

Die Brandkatastrophe vom 11. Juni 2008 löste eine Solidaritätswelle aus, wie sie Bistritz bis dahin nicht gekannt hatte. Die Bistritzer wollten ihr Wahrzeichen wiederhaben. Im In- und Ausland wurde für den Wiederaufbau der Kirche gespendet. Die HOG Bistritz-Nösen sammelte Spenden v.a. in Deutschland und Österreich um neue Glocken und eine Turmuhr in Auftrag zu geben. Bereits am 11. Oktober 2009 wurden drei neue Glocken, die man in Passau von der Glockengießerei Perner anfertigen ließ, geweiht und im Mai 2010 eine funkgesteuerte Turmuhr montiert. Die Turmuhr wurde der Stadt Bistritz von der HOG Bistritz-Nösen in einer feierlichen Zeremonie am 16. Juli 2010 durch eine Schenkungsurkunde übertragen.

Der 2008 neu gewählte Bürgermeister von Bistritz, Teodor Ovidiu Crețu, machte den Wiederaufbau der evangelischen Kirche in Bistritz zur Chefsache. Auf seine Initiative hin wurde ein Metallgerüst in Italien geordert und ein Bauaufzug montiert und man beschloss einen Personenaufzug in den Kirchturm einzubauen.

Letztendlich kam es nicht nur zu einem Wiederaufbau des Kirchturms, sondern es wurde eine Gesamtrestaurierung der Kirche ins Auge gefasst, was zu den umfangreichsten Arbeiten an der Kirche seit über 400 Jahren führte. Der Aufzug im Kirchturm wurde 2012 montiert, Ende 2012 waren die Restaurierungsarbeiten, mit Ausnahme der Rekonstruktion der Heiligenfiguren, abgeschlossen. Am 8. Dezember 2012 wurde der Turm in Anwesenheit des evangelischen Bischofs Reinhart Guib wieder geweiht. Der Kirchturm ist nun wieder unübersehbar das Symbol der Stadt Bistritz, der höchste mittelalterliche Kirchturm Siebenbürgens. Vermutlich ist er nach erfolgter Restauration noch etwas „gewachsen“ und somit höher als der alte Turm.

Am 31. Mai unterzeichnete die Evangelische Landeskirche A.B. vertreten durch den Stadpfarrer von Bistritz, Johann Dieter Krauss, einen Nutzungsvertrag mit dem Bürgermeisteramt Bistritz, wobei die evangelische Kirche samt Turm der Stadt Bistritz für zehn Jahre zur Nutzung überlassen wurde. Die Nutzung zu kulturellen und touristischen Zwecken darf den Charakter der evangelischen Kirche in Bistritz als Gotteshaus nicht beinträchtigen. Auch bleiben die Eigentumsverhältnisse davon unberührt. Die Stadt Bistritz ihrerseits verpflichtete sich, die Restaurierungsarbeiten an der Kirche auf eigene Kosten fortzusetzen. Auch das Betreiben des Aufzugs im Kirchturm geschieht auf Kosten der Stadt Bistritz.

Die doppelte Zweckbestimmung des Turms für kirchliche und weltliche Aufgaben ist ein Teil der Tradition dieses Bauwerks. In den Rechnungsbüchern der Stadt Bistritz erscheint er durchwegs als Stadtturm - turris civitatis und nur gelegentlich als Kirchturm – turris civitatis. Der Turm war Eigentum der politischen Gemeinde. Erst in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde er auf die Kirchengemeinde übertragen, als bei Einführung des Grundbuchs und der neuen Komitatsverfassung eine Scheidung der Kompetenzen eintrat[46].

Durch die Übernahme der Verwaltung des Turms bzw. der evangelischen Kirche bekennt sich die Stadt Bistritz zum Erbe der Siebenbürger Sachsen, die die Stadt Bistritz über 800 Jahre lang kulturell, wirtschaftlich und sozial grundlegend geprägt haben. Der Turm wird auch in Zukunft, wenn die evangelische Kirche in Bistritz längst ein Museum sein wird, und es keine Siebürger Sachsen mehr unter den Einwohnern geben wird, das unübersehbare Symbol der Stadt sein. Ein Symbol, mit dem sich alle Einwohner der Stadt identifizieren können, unabhängig welcher Ethnie oder Religion sie angehören.

 


[1] Irina Băldescu: Transilvania medievală. Topografie şi norme juridice ale cetăților Sibiu – Bistrița - Braşov – Cluj, Bucureşti 2012, S. 203.

[2] Victor Roth: Deutsche Baukunst in Siebenbürgen, Straßburg 1905, S. 75.

[3] Wortitsch, Theobald: Das evangelische Kirchengebäude in Bistritz. Eine kunstgeschichtliche Studie, Bistritz 1885, S. 20.

[4] Hans Wühr: Die evangelische Pfarrkirche in Bistritz. Ihre landschaftlichen und städtebaulichen Voraus-setzungen. In: Siebenbürgisch-sächsischer Hauskalender 6 (1961), S. 41-42.

[5] Wühr, S. 42.

[6] Viktor Roth bezweifelt, dass die Westfassade ursprünglich von zwei Türmen flankiert war. Roth, Geschichte der deutschen Baukunst…, S. 73.

[7] Otto Dahinten: Beiträge zur Baugeschichte der Stadt Bistritz. In: Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde (AVSL) 50 (1944), S. 357; Gabriela Rădulescu: Bistrița. O istorie urbană, Cluj-Napoca 2004, S. 111; Gheorghe Mândrescu: Renaissancestil in der Bistritzer Architektur, Cluj-Napoca 2004, S. 80.

[8] Dahinten, Baugeschichte in AVSL 50 (1944), S.351.

[9] Otto Dahinten: Geschichte der Stadt Bistritz in Siebenbürgen, Köln, Wien 1988, S. 211.

[10] Emil Csallner: Denkwürdigkeiten aus dem Nösnergau, Bistritz 1941, S. 28; Wortitsch, S. 28-29.

[11] Dahinten, AVSL 50 (1944), S.351-352; Wortitsch, S. 27-28.

[12] Die Glocken stammten aus dem Jahr 1430, die beiden großen Glocken, Susanna und Nikolaus fielen der Feuersbrunst von 1857 zum Opfer, die kleine Glocke aus dem Jahr 1555 wurde beim Brand 2008 zerstört.

[13] Dahinten, BAVSL 50 (1944), S. 352.

[14] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz S. 215.

[15] Dahinten, AVSL 50 (19449, S.352.

[16] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 215.

[17] Karl Csallner: Bistritz. Ein siebenbürgisch-deutsch-sächsisches Schicksal, Wels 1972, S. 27. Karl Csallner konnte nicht ahnen, dass der Turm einem weiteren Großfeuer standhalten würde.

[18] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 226: Der nach dem Großbrand vom 11. Juni 2008 rekonstruierte Turm ist vermutlich höher.

[19] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 225-226.

[20] Kurt Csallner: Nösner Heimatbuch, Bad Kissingen 1973, S.38.

[21] Dahinten Geschichte der Stadt Bistritz, S. 226.

[22] Wortitsch, S. 28.

[23] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 228

[24] Friedrich Kramer: Aus Gegenwart und Vergangenheit der königlichen Freistadt Bistritz, Hermannstadt 1868, S. 7

[25] Oskar Kisch: Die wichtigsten Ereignisse der Geschichte von Bistritz und des Nösnergaues. 1. Band (1141-1699), Bistritz 1926 S. 68.

[26] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 221

[27] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 215.

[28] Corneliu Gaiu/Vasile Duda: Biserica Evannghelică C.A. din Bistrița, Bistrița 2009, S. 30.

[29] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 216

[30] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 216.

[31] Dahinten, ebd., S. 216

[32] Kisch, Geschichte von Bistritz, S. 69; Diese Tafel wurde beim Brand vom 11. Juni 2008 schwer beschädigt.

[33] Emil Csallner, S. 123.

[34] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 224

[35] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 224.

[36] Kurt Csallner, S. 43.

[37] Emil Csallner, S. 124

[38] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 224.

[39] Kramer, S. 7

[40] Oskar Kisch: Neueindeckung des evangelischen Kirchturms in Bistritz im Jahre 1909. In: Bistritzer Kalender 1910, S. 49.

[41] Ein ähnliches Holzgerüst sollte dem Turm am 11. Juni 2008 zum Verhängnis werden.

[42] Dahinten, AVSL 50 (1944), S. 46.

[43] Oskar Kisch, Bistritzer Kalender 1910, S. 49, S. 54.

[44] Kurt Csallner, S. 44.

[45] Details bei Michael Kroner: Geschichte der Nordsiebenbürger Sachsen, Nürnberg 2009, S. 238-238.

[46] Dahinten, Geschichte der Stadt Bistritz, S. 212.