„Denn wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ (Matthäus 12,34-35) So empfindet auch Horst Göbbel seit den großen Tagen von Deutsch Budak, Bistritz und Jaad vom 22. bis zum 25. August 2013. Es waren Tage des Feierns und des Frohsinns, Tage des einschneidenden Erlebens, Tage der tiefen Dankbarkeit für hunderte von Teilnehmern von nah und fern, die zum erstmals in Siebenbürgen veranstalteten Nordsiebenbürger Treffen angereist waren und viele Freunde und Partner vor Ort trafen. Horst Göbbel, einer der Protagonisten des Geschehens in Jaad, berichtet.
Unter dem Motto „700 Jahre Jaad“ ereignete sich am Sonntag, 25. August noch nie Dagewesenes in der beschaulichen, acht Kilometer östlich von Bistritz gelegenen früheren stattlichen sächsischen Gemeinde Jaad. Nach vielmonatigen Vorbereitungen konnte die Heimatortsgemeinschaft Jaad in enger Zusammenarbeit mit der kleinen örtlichen evangelischen Kirchengemeinde (knapp 25 Evangelische von mehr als 3000 Bewohnern) und mit den lokalen rumänischen Behörden – insbesondere Bürgermeister Traian Simionca – allen Teilnehmern Bedingungen zu einem denkwürdigen Treffen, zum vielschichtigen Feiern, zum Nachdenken bieten.
Der Internetdienst timponline.ro schrieb noch am gleiche Tage: „Die Gemeide Jaad hat am Sonntag 700 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung im Beisein von Bürgern von gestern und heute, Sachsen und Rumänen, in Sonderheit der Ministerin für Sozialen Dialog Doina Pană, des Präfekten Ioan Ţintean, des Kreisvorsitzenden Emil Radu Moldovan, des Bürgermeisters von Bistritz Ovidiu Crețu, des orthodoxen Kreisdechanten Alexandru Vidican, des Kreisadministrators Florin Moldovan, der Bürgermeister Tudorel Ciotmonda (Josenii Bârgăului) und Vasile Laba (Borgo Bistritz), des Kreisfinanzchefs Crin Pântea, des gesamten Gemeinderats von Jaad und zahlreicher weiterer Persönlichkeiten aus dem Kreis (Bistritz-Nassod) und aus dem Ort gefeiert. Der Historiker Horst Göbbel wurde dabei mit dem Titel Ehrenbürger von Jaad ausgezeichnet.“
Was timponline.ro leider nicht erwähnte, ist beispielsweise der erhabene Festgottesdienst mit nachhaltiger Wirkung vom Vormittag dieses denkwürdigen Tages, an dem trotz regnerischer Prognosen gutes sommerliches Wetter die Veranstaltungen begleitete. Wir wissen es alle: Zu einem großen Fest gehört ein großer Festgottesdienst mit Heiligem Abendmahl. Diesmal in Jaad für viele viele Gäste – mehrere Hundert – aus Deutschland, aus Österreich, aus Siebenbürgen, Siebenbürger Sachsen – zahlreiche die wunderschöne nordsiebenbürgische Festtagstracht tragend – und rumänische Freunde. Am Sonntag um 10.00 Uhr strahlte die renovierte Kirche in neuem Glanz (Danke Dorel Meinhardt!), im Inneren beherbergte sie uns Christen ökumenisch vereint unter Gottes Wort. Bischof Reinhart Guib und Dechant Johannes Halmen aus Schäßburg, begleitet von hohen kirchlichen und politischen Würdenträgern – Altbischof Dr. Christoph Klein, Landeskirchenkurator Friedrich Philippi, Landeskirchenanwalt Friedrich Gunesch, die langjährigen Jaader Pfarrer Heinz Galter und Rolf-Hans Klemens, Pfarrer Günter Klöss-Schuster, Pfarrer Hans Hamrich, der Vorsitzende des Siebenbürgenforums Martin Bottesch, der orthodoxe Ortspfarrer Stelian Parascan, Bürgermeister Traian Simionca, Kurator Dorel Meinhardt – ließen durch die Festtagsliturgie, durch die tiefgründige und zugleich locker uns umschließende Predigt unsere Herzen höher schlagen. Die katholischen Musiker der „Werkvolkkapelle“ aus Neumarkt in der Oberpfalz (schwungvoll geleitet von unserem Petersdorfer Siebenbürger Sachsen Martin Miess aus Nürnberg) spielten wohltuende Weisen, während die Gemeinde im vollbesetzten Kirchenraum aus vollem Herzen mitsingen konnte.
Mit gediegenen Worten aus Johannes 4, 19 – 24 und Epheser 2,17-22 – „Ihr seid wichtige Steine im Haus Gottes! Ihr seid gebaut auf dem Grund der Apostel und Propheten. Der Schlussstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird das ganze Gebäude zusammen gehalten und wächst zum heiligen Tempel in Gott. Im Herrn werdet auch ihr in die Wohnung Gottes im Geist eingefügt“– weihte Bischof Reinhart Guib zunächst die außen renovierte Jaader Kirche neu ein. Seine klare, Geist und Seele tief berührende Predigt fußte auf dem Bibelwort „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth; meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn. Mein Leib und meine Seele freuen sich in dem lebendigen Gott". (Ps. 84,2-3) Bischof Guib betonte, dass uns große Freude an diesem Tag zusammengeführt habe: „Die Kirche ist nach umfassenden Renovierungsarbeiten fertig geworden und geschmückt wie eine Braut für ihren Bräutigam. Und das alles dank der vielen Spender der HOG-Jaad sowie des Einsatzes von Kurator Meinhardt mit Familie und der Kirchengemeinde in Jaad. Dazu haben die Jaader zum ersten Nordsiebenbürger Treffen eingeladen und viele sind gekommen. Zum Anlass wurden auch die 700 Jahre genommen, die Jaad schon 2011 erfüllt hat. Mit Freude im Herzen gehen wir in diesen Tag des Feierns, der Begegnung und der Dankbarkeit. (…) Die ‚Wohnung Gottes‘ war für die Gläubigen die Oase in der Wüste des Lebens, so wie für die Jaader kein Ort wichtiger, verbindender, bezeichnender ist als diese Kirche. Hier wurdet ihr getauft, konfirmiert, getraut, hier wurde für eure Toten geläutet und gebetet, wie wir es heute auch tun werden. Hier fühltet und fühlt ihr euch Gott nahe.“
Bischof Guib betonte, dass es gut sei, einen Heimatort zu haben. „Da, wo ich hingehöre, ich immer willkommen bin und mich niemand vertreiben kann. Da, wo ich mich mit den anderen verstehe, ohne mich erklären zu müssen. Es ist gut, eine Heimatkirche zu haben. Da, wo Gleichgesinnte sich sammeln können, das Wort hören, das Mahl feiern, die Gemeinschaft erleben und Gott ganz nahe spüren.“ Dies sei jedoch nicht selbstverständlich, sondern es sei Gnade. Dass wir als Jaader, wir als Nordsiebenbürger und wir als christliche Gemeinschaft überhaupt hier zusammenkommen, gemeinsam beten und singen können und Stärkung und Zuversicht erfahren, „darum habt ihr gespendet und gearbeitet für diesen Ort, habt ihn dem Verfall entrissen, habt ihn mit großem Einsatz gepflegt und erhalten, habt Opfer und Rückschläge ertragen und euch trotzdem neu aufgerafft, habt den Raum gestaltet wie eine liebenswerte Wohnung. (…) Darum ist der alte Psalm von der Liebe und Sehnsucht nach Gottes Wohnung keine fromme Antiquität.“
Schließlich erinnerte unser ehrwürdiger Bischof, dass Kirche mehr als Pflege von Brauchtum und Traditionen sei, mehr als Nachbarschaften und Gemeinwesen, mehr als Sorge um die Kinder und die Alten. „Es ist gerade der befreiende Geist der Botschaft Christi, der all das, was heute auf allen Ebenen mit den kleinen Kräften getan wird, qualifiziert und der für uns, unsere Umgebung und die Welt nötig ist: als Salz der Erde, als Licht der Welt.“ Zum Abschluss der belebende Aufruf: „Haltet der Heimatgemeinde und Heimatkirche die Treue. Denn es gibt - und das wollen wir an diesem Tag nicht unterschlagen - auch die Gefahr der Auszehrung. In einer Zeit globaler Krisenängste scheint die Botschaft des christlichen Glaubens vielen, auch unserer Sachsen, keine echte Stütze mehr, sondern nur schmückendes Beiwerk zu sein. (…) Gewiss, die Zeiten haben sich geändert und wir müssen aktiv werden und neu spüren lernen, was die Sorgen der Jungen und Alten sind, hinhören anstatt zu belehren, den Menschen nachgehen und nicht darauf warten, dass sie alleine kommen. Es gilt Gottes Liebe auch heute, 700 und mehr Jahre seit der Gründung von Jaad und vielen anderen nordsiebenbürgischen Gemeinden, dort wo wir sind, zu bezeugen. Es gilt einander die Hand zu reichen und gut zu sein. Es gilt für unsere Schwachen einzustehen. (…) Haltet dieser Kirche die Treue, bleibt mitverantwortlich für das Gelingen dieses Gemeinwesens. Entfernt euch nicht voneinander, sondern bleibt offen für einander und sucht neue Formen des Miteinanders. Bleibt bei dem, was ihr als unaufgebbar erkannt habt, wie es das Bibelwort betont: Wie lieb sind mir deine Wohnungen, Herrn Zebaoth, Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott“.
Am Nachmittag im Park im Zentrum von Jaad, speziell für diesen Anlass umfassend arrangiert, spielten zum Tisch zunächst unsere Lustigen Trauner Adjuvanten. Das große Volksfest mit allen Bewohnern von Jaad – mindestens 2000 waren gekommen - in das das Treffen der Nordsiebenbürger Sachsen eingebettet war, begann mit einem Konzert der Blaskapelle Harmonie des Deutschen Demokratischen Forums Bistritz. Es bezauberten musikalisch und tänzerisch über mehrere Stunden die Gruppe Pro Opera, die Trauner Tanzgruppe, das Bistritzer Ensemble „Balada“, die Romatanzgruppe „Sucar“ aus Josenii Bârgăului, die Bistritzer sächsiche Tanzgruppe „Regenbogen“, die Jaader Formationen der „Nunta Zamfirei“ und andere. Bürgermeister Traian Simionca, dankte allen Sachsen für ihren großen geschichtlichen Beitrag über Jahrhunderte hinweg in Jaad und in Siebenbürgen und teilte nach Grußworten der anwesenden Politiker und Pfarrer mit, der Gemeinderat von Jaad habe auf seinen Vorschlag hin Horst Göbbel, dem Vorsitzenden der Heimatortsgemeinschaft Jaad, die Ehrenbürgerwürde von Jaad verliehen. Er überreichte die Auszeichnung.
Horst Göbbel dankte dem Kommunalrat für die große Ehre, die ihm zuteil wurde. Zugleich beglückwünschte er Kurator Dorel Meinhardt und dessen Familie für die großartige Leistung bei der Renovierung der Jaader Kirche, Bürgermeister Traian Siomionca für dessen engagiertes Eintreten für ein bewährtes deutsch-rumänisches Verhältnis sowie die erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Durchführung dieses großen Festes. Schließlich äußerte er seine große Genugtuung, alle anwesenden Nordsiebenbürger Sachsen und die vielen deutschen und rumänischen Gäste in Jaad bei einem so bedeutenden Fest zu treffen.
Anschließend ehrte Werner Henning, einer der geschäftsführenden Vorsitzenden des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften, Kurator Dorel Meinhardt mit der Silbernen Ehrennadel des HOG-Verbandes für sein unermüdliches Wirken für den Zusammenhalt der kleinen evangelischen Kirchengemeinde und besonders für die mühevolle und erfolgreiche Renovierung der evangelischen Kirche Jaad. In den folgenden Stunden unterhielt die Werkvolkkapelle aus Neumarkt die Teilnehmer am Treffen mit beschwingter Musik.
Das Nordsiebenbürger Treffen in Jaad erneuerte altbekannte nordsiebenbürgische Lebenshaltungen des freundschaftlichen Zusammentreffens von Siebenbürger Sachsen mit Rumänen und Roma. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in den sächsischen Gemeinden des Nösnerlandes relativ viele Rumänen, Ungarn und Roma. Nach dem Krieg, als von den ca. 35.000 im Herbst 1944 evakuierten Sachsen nur etwa 5.000 aus der Sowjetischen Besatzungszone Österreichs zurückkehren mussten, waren wir in unseren früheren sächsischen eine auch von den neuen kommunistischen Verhältnissen arg gebeutelte Minderheit bzw. in etlichen Dörfern gab es de facto keine Sachsen mehr. Unsere „Rettung“ lag in einem notwendigen, sich stetig aufbauenden nachbarschaftlichen Zusammenleben mit „den Rumänen“. Wir in Nordsiebenbürgen hatten außerdem nicht das Trauma der Aushebung zur Deportation durch rumänische Polizisten und Soldaten zu bewältigen, wie unsere Brüder und Schwestern in Südsiebenbürgen. Zwischen uns sehr wenigen Sachsen und unseren neuen vielen rumänischen Nachbarn – auch sie waren vom Kommunismus nicht erbaut – entwickelten sich bis zu unserer Aussiedlung in den 1970er Jahren korrekte bis freundschaftliche Beziehungen. Mehrheitlich sehen wir sie längst als unsere Nachfolger und wünschen, dass sie unser Kulturgut in Siebenbürgen annehmen und bewahren. Im Bistritzer Raum sind z. B. keineswegs zufällig mehr als 25 evangelische Kirchen längst orthodoxe Gotteshäuser und deswegen aus unserer Sicht gerettet. Wie sich der Bistritzer Bürgermeister Ovidiu Crețu mit seinem Stadtrat uns gegenüber verhält, sucht ja seinesgleichen und entspringt sicherlich auch aus dieser historischen Situation. So kann unser Verhältnis im Allgemeinen als unverkrampft und konstruktiv zu beiderseitigem Vorteil bezeichnet werden. Auch deswegen ist diese insgesamt freundschaftliche Atmosphäre und Zusammenarbeit mit rumänischen Behörden in Nordsiebenbürgen nicht überraschend und das Nordsiebenbürger Treffen in Jaad ein Mosaiksteinchen auch auf diesem Weg. Die von sächsischen Teilnehmern mit Recht bemängelte „Trennung“ des Festbereichs der Gäste des Treffens in Jaad vom großen Festplatz im Jaader „Park“ hatte rein praktische Ursachen: Das örtliche Bürgermeisteramt hat diesen Wunsch geäußert, um die Gäste entsprechend verköstigen zu können und um ihnen die Gelegenheit zu bieten, zeitweise auch unter sich zu feiern. Besonders gefreut hat uns die Teilnahme vieler Kinder oder Enkelkinder, in Österreich oder Deutschland geboren, die ihre kräftigen Wurzeln in Siebenbürgen mit Hochachtung und großer innerer Freude erkundeten.
Eingebunden in die großen Tage von Deutsch-Budak, Bistritz und Jaad vom 22. bis 25. August 2013 war auch dieses Treffen für Hunderte von Teilnehmern von nah und fern ein Tag des Feierns und des Frohsinns, ein Tag des einschneidenden Erlebens, ein Tag der tiefen Dankbarkeit.
Aus Anlass des Treffens hat Horst Göbbel das Buch „700 Jahre Jaad in Siebenbürgen“ in deutscher und rumänischer Sprache herausgegeben und zusammen mit seiner Schwester Margarete Schuster jeder heute in Jaad lebenden Familie geschenkt. Das Buch wird in dieser Zeitung vorgestellt und ist ab sofort zum Preis von 5 Euro, plus Versand, bei Margarete Schuster, Telefon: (0911) 678118, E-Mail: margarete.schuster [ät] t-online.de, oder bei Horst Göbbel, E-Mail: horstgoebbel [ät] gmx.de, bestellbar.
Horst Göbbel