Expertise(Gutachten)


Am 09-10.11.13 untersuchte ich die Bistritzer Prause-Orgel von 1795 (heute in verändertem Zustand), um ein Konzept für die geplante Restaurierung ausarbeiten zu können. Nach genauerem Studieren des Instrumentes und der Durchsicht der, durch Herr Pfarrer Krauss zur Verfügung gestellten Dokumente(n), habe ich nun ein klares Bild über den Zustand, die Substanz und die Baugeschichte dieses Instrumentes. Allerdings bleiben einige Fragen zur Herkunft vereinzelter Pfeifen und einiger, angeblich von Hesse stammenden Register bis auf weiteres offen.
Das heutige Instrument ist deformierend geprägt durch zwei spätere Bauphasen, von Carl Hesse (1860-61) und Karl Einschenk (1900). Der Umbau von Hesse behielt die wichtigsten technischen Grundlagen von Windladen und Technik und versuchte einerseits durch Erweiterung der Grundtönigkeit und andererseits durch die Vergrößerung des Pedalumfanges und den Einbau von zwei (großen) hölzernen 16’ Registern die klangliche Anpassung an den Zeitgeschmack zu bewerkstelligen. Wie aus Hesses Unterlagen hervorgeht mussten die Pfeifenstöcke und Rastbretter dafür erneuert werden. Den Platz für tiefer liegende Register erhielt man Entfernen von hochliegenden Registern. Bei dem Rückpositiv konnten wegen all zu knappem Platz die klangerweiternden Ideen , wahrscheinlich auch für Hesse nicht weit genug gehen. Wichtig ist, dass Hesse die Prause Bälge behielt und neu belederte. Einschenk plante seine Orgelerweiterung im Einklang mit den spät romantischen Ideen des Bistritzer Musikdirektors Carl Dähn. Es handelt sich () um einige zusätzlichen Register auf separaten Kegelladen, die noch mehr den knappen Platz einengten und die innere Struktur der Orgel verdarben. Das bereits bei Hesse fälschlich als „Oberwerk” benannte Rückpostiv mußte nun den klanglichen Veränderungen zuliebe als Diskant-Teil umfunktioniert werden, während der Baß –Teil in den Orgelstuhl auf einer als Kegellade gebauten Erweiterungswindlade hineingequetscht werden mußte. Sowohl nach seinem Material, als auch nach seiner spät-/postromantischen Bauart kann man das 1900 zugewachsene Material Einschenks (eher) als zusätzlichen Fremdkörper in der inneren Substanz der Orgel betrachten. Einschenk baute den riesengroßen Magazinbalg und eine groß dimensionierte Kanalanlage. Die Engriffe von Einschenk in die Substanz sind jedoch unwesentlich. (Laut seinen eigenen Angaben hätte Einschenk statt dieser Arbeit lieber ein komplett neues Pneumatisches Instrument mit drei Manualen und Pedal errichtet.
Um heute eine ideale Entscheidung zu treffen in welchen Zustand die Orgel restauriert werden soll, muss man den Zustand von 1861 noch genauer studieren und ebenso eventuelle Unterschiede zwischen dem realisierten vermuteten Originalzustand und der, im Kostenvoranschlag angeführten Disposition aufdecken. Die Hinweise dafür dass es eine Diskrepanz geben könnte, wird bestätigt durch die Existenz von zwei vollständigen vorhandenen Registeretiketten (Signaturen). An dieser Stelle müssen wir noch einmal darauf hinweisen, dass erst die genaue Analyse sämtlicher ausgebauter und gereinigter Pfeifen, sowie übriggebliebene Spuren von stattgefundenen Veränderungen Aufschluß geben werden.

Hauptwerk C-f’’’ (54 Töne)
Rückpositiv C-f’’’
Pedal C/E-h (20 Töne)
Principal 8’ (im Prospekt)
Flauta 8’
Subbass 16’ (im Prospekt?)
Flauta 8’
Principal 4’ (im Prospekt)
Principal 8’ (im Prospekt?)
Quintatön 8’
Octava 2’
Viola 8’
Octava 4’
Quinta 1 ½’
Quinta 6’ (im Prospekt?)
Hohl-Flaut 4’
Sedecima 1’
Octava 4’
Salicet 4’
Mixtur III
Quint 3’
Quinta 3’
Gambe-Huboa 8’ (D?)
Superoctava 2’
Superoctava 2’
 
Mixtura VII
Sedecima 1’
 
Posaune 8’
Mixtur IV
   
Rauschquinte II
   

Nach dem Umbau durch Hesse hatte die Orgel folgende Disposition:

 Hauptwerk C-f’’’  Positiv C-f’’’ („Oberwerk”)  Pedal C-d’ (27 Töne)
 Bourdon 16’ **  Coppel 8’ *  Principalbass 16’
 Principal 8’ *  Principal 4’ *  Violonbass 16’
Bourdon 8’ **? Gambe 4’ ** Subbass 16’ *
Gemshorn 8’ Flauto 4’ Octavbass 8’ **
Octave 4’* Flauto 2’ Viola 8’ *
Salicet 4’ * Violini 2’ Octav 4’
Gemshorn 4’   Trompette 8’ *??
Superoctave 2’ **    
 Mixtur IV **    



* Register von Prause ** Pfeifenmaterial von Prause
Hesse verwendete die veränderte originale HW- und Positivwindlade, übernahm viele Register von Prause, zum Teil in einer anderen Lage und übernahm die Spielanlage von Prause (jedoch umgearbeitet). Merkwürdig ist, dass die Register Gemshorn 8’ und 4’ möglicherweise von einer älteren oder anderen Orgel stammen und hier durch Hesse als neue Register angeführt werden . Die Viola 8’ stammt vermutlich von Prause wird aber als eigenes Register von Hesse ausgewiesen. Hesse baute alle nicht markierten Register, die zwei Groß -Pedalladen, die jetztigen Wellenbretter und erweiterte (Erhöhte) des Hintergehäuses. Die Balgplatten Prauses dienen als Verkleidung der Einschenk’schen Balganlage. Von Hesses Registern fehlt leider die Trompette 8’, die durch eine Giesecke-Posaune 16’ ersetzt wurde (Einschenk?).
Bemerkenswert ist, dass die übernommenen Register, bzw. Pfeifenmaterial von 1795 intonationsmäßig sehr wenig, oder gar nicht verändert worden sind. Mit Hilfe der Prospektpfeifen können wir vielleicht hoffen, Prauses Temperierungssystem rekonstruieren zu können. Da Prause scheinbar auch älteres Material verwendete, ist nicht ausgeschlossen, in seinem Pfeifenwerk möglicherweise als Einzelpfeifen Reste aus der Laetusorgel von 1568 finden können.
Obwohl der Zustand von 1861, vielleicht mit dem geringsten Aufwand rekonstruiert werden könnte, empfehle ich dennoch die Rückführung auf den Zustand von 1795. Diese Gründe dafür sind:

  • Von den Dokumenten, Spuren und nach vielen Analogien ist eine authentische Rekonstruktion der Prauseorgel (fast) problemlos möglich
  • Es war die einzige Prause Orgel mit zwei Manualen und Pedal
  • Es war die größte Siebenbürgische Orgel des 18. Jahrhunderts in Siebenbürgen – und nach der Vestorgel in Hermannstadt die zweitgrößte Barockorgel Siebenbürgens.
  • Von Carl Hesse gibt es in Siebenbürgen drei zweimanualige Orgeln im Originalzustand
  • Außer dem Pfeifenwerk hat die Orgel sehr viel Prause Substanz – und zwar die prägende.
  • Das Prause-Pfeifenwerk ist intonationsmäßig zum Teil unberührt.
  • Viele Hesse-Pfeifen sind wegen Zinnpest in schlechtem Zustand - die Prause-Pfeifen sehen besser aus.

Es ist wichtig zu betonen, dass die nötigen Arbeitsphasen der Restaurierung erst nach dem kompletten Abbau der Orgel genau genau bestimmt werden können. Die wichtigsten Aufgaben wären:

  1. Detailierte und vollständige Dokumentation der Orgel im jetzigen Zustand. Dies kann erst während des Abbaues geschehen. Die gewonnenen Erfahrungen werden bei allen weiteren Schritten in der Restaurierung, oder der Rekonstruktion helfen. Sammeln von nötigem analogem Material bei den Prause Orgeln in Keisd, Reichesdorf u.a.
  2. Restaurierung des Prause-Pfeifenwerkes. Dies wird durch Zinnpest Befall erschwert. Da die Prause-Pfeifen sehr wertvoll sind, kommt nur eine minutiöse genaue Restaurierung in Frage, damit die befallenen Flecken entfernt und wieder mit identischem Material ersetzt werden.
  3. Rekonstruktion der fehlenden Register (inkl. Posaune 8’) mit den genauen Parametern der hier vorhandenen Prause-Pfeifen und anderer Analogien.
  4. Rückführung der Prause-Windladen auf den Originalzustand
  5. Rekonstruktion der Pedalwindlade(n) und ihre Erweiterung im Stil von Prause (Wird nur als Ergebnis der Dokumentation machbar sein).
  6. Rekonstruktion der Spiel- und Registertraktur in der Art von Prause
  7. Rekonstruktion der Windanlage unter Verwendung der originalen Balgplatten, oder deren Maßen.
  8. Rückführung der Spielanlage in den Originalzustand
  9. Neue Pedalklaviatur im Stil von Prause, oder im Stil des 18n Jahrhunderts
  10. Festigung und in den Originalzustand rückführende Verbesserung des Gehäuses.
  11. Komplette äußere Reinigung des Gehäuses
  12. Farbrestaurierung/Farbenrekonstruktion /Farbintegration am Untergehäuse im Bereich der Spielanlage
  13. Restaurierung, Festigung und Befestigung des Zierrates

Anhand dieser Prinzipien empfehle ich eine Ausschreibung für die Restaurierung der Bistritzer Prauseorgel zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
David Homolya
Internationaler Orgelexperte MA
Schopfheim, 19.11.2013