Bistritzer Jahrmarkt 2015
Städtepartnerschaftsunterzeichnung Wiehl- Bistritz

Schon sehr früh, 1330 wurde Bistritz zur „freien königlichen Stadt“ durch Königin Elisabeth erklärt. 1353 bekam Bistritz von König Ludwig von Anjou das Recht, einen 15 Tage dauernden Jahrmarkt zu betreiben. Der Beginn wurde auf den 24. August festgelegt und wurde über Jahrhunderte fortgeführt.

Der Bistritzer Stadtrat hat anknüpfend an die alte Tradition beschlossen, das jährlich in Bistritz drei Tage dauernde Stadtfest auf dieses Datum zu verlegen. Eine weise Entscheidung, will man doch auch die Geschichte der Stadt den Bürgern näher bringen.

Wenn man an Jahrmarkt denkt, meint man den Kauf und Verkauf von Waren, Lebensmittel und nicht zuletzt an einen großen Viehmarkt. Das Recht, einen mehrtägigen Jahrmarkt zu betreiben, war im Mittelalter von existentieller Bedeutung insbesondere für die Handwerker die ihre Erzeugnisse an das von weit her angereiste Volk veräußern konnten. Er bedeutete Wohlstand für die Bürger. Der Sommerjahrmarkt war für die Stadt und sein Umland auch ein großes gesellschaftliches Ereignis, eine Möglichkeit der Begegnung auch in kultureller Hinsicht. Gaukler und Artisten belebten den Markt.

In Bistritz ist dieses Fest heutzutage zweigeteilt. In der Fußgängerzone, in der Holzgasse, stehen kleine Zelte in denen handwerkliche Schnitzereien oder Souvenirwaren angeboten werden. Auf einer großen Bühne werden Darbietungen geboten, die insbesondere das junge Volk ansprechen. In der evangelischen Kirche auf dem Marktplatz finden Konzerte statt.
Anders sieht es auf dem großen Kirmesplatz in Heidendorf, das ja nun in die Stadt eingemeindet ist, aus. Hier wird rund um die Uhr Volksmusik und Volkstanz geboten. Zahlreiche Stände mit gegrilltem Fleisch oder Mici verbreiten einen intensiven appetitanregenden Geruch. Ringelspiel und andere Unterhaltungseinrichtungen fordern die Gäste heraus. Ab und zu gibt es noch, wie in vergangenen Zeiten, Menschen, die Horoskope von Kanarienvögeln gezogen unter das Volk bringen. Natürlich dürfen Bierzelte nicht fehlen. Busse bringen in viertelstündlichen Abständen Menschenmassen kostenlos aus der Stadt zum Vergnügen. Es sind insbesondere Menschen, die in der kommunistischen Zeit vom Dorf in die die Stadt gezogen sind und am folkloristischen Geschehen nach wie vor ihre Freude haben. Tausende verbringen das Wochenende auf dem Festplatz.

Bisher war dieses Geschehen als das Bistritzer Stadtfest (Zilele Bistritei) bekannt; ab nun, in Erinnerung an alte Zeiten, nennt es sich „Bistritzer Jahrmarkt“. Um bei der Bistritzer Bevölkerung unter diesem Begriff angenommen zu werden, bedarf es noch viel Arbeit. Die Geschichte der Stadt, von deutschen Siedlern geründet, wird zaghaft in den Schulen verbreitet, eine Identifizierung mit dieser Geschichte ist ein Wunschziel des Bistritzer Bürgermeisters Ovidiu Creţu. Doch nicht nur die Vergangenheit ist ihm wichtig. Auch die Zukunft der Stadt mit ihren Bürgern steht im Mittelpunkt der Kommunalpolitik. Die Öffnung nach Europa, das Bestreben, Bistritz wieder zu einer europäischen Stadt zu machen, ist ebenso erkennbar.

Vor 10 Jahren ist Bistritz mit der deutschen Stadt Herzogenrath eine Städtepartnerschaft eingegangen, die sich für beide Teile gelohnt hat. Schüler- und Lehreraustausch sind zur Gewohnheit geworden. Kulturgruppen haben sich gegenseitig besucht. Die Verwaltungen haben einen regen Informationsaustausch. Zu dieser Partnerstadt haben sich Städte in Frankreich, Italien und Polen gesellt. Im letzten Jahr wurde die Städtepartnerschaft Wels – Bistritz unterzeichnet und in diesem Jahr die Partnerschaft mit der Stadt Wiehl. Eine große Delegation unter der Leitung des Wiehler Bürgermeisters Werner Becker-Blonigen war angereist, um dem Festakt beizuwohnen. Aus Nürnberg war eine siebenbürgische Volkstanzgruppe (Leitung Inge Alzner) und mehrere Mitglieder des HOG-Vorstandes zugegen und aus Drabenderhöhe (Stadtteil von Wiehl) wurde eine Busreise nach Siebenbürgen und Bistritz organisiert. Nicht zuletzt haben die in Deutschland und Österreich lebenden Siebenbürger Sachsen zu dem Zustandekommen der Partnerschaft beigetragen und wollten nun auch dabei sein.

Bürgermeister Cretu betonte in seiner Ansprache nochmals, dass die Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen 1944 ein demographisches und wirtschaftliches Desaster darstellt. Ganze Dörfer wurden entvölkert. In das entstandene Vakuum sind Menschen gekommen, denen die Geschichte der Region fremd war. Menschen die sich nicht mit der Kultur und Tradition der Siebenbürger Sachsen identifizieren konnten. Creţu sagt „Wir sind bestrebt, den Kontakt zu den in Deutschland und Österreich lebenden Sachsen zu verstärken, um die Geschichte unserer Stadt zu verstehen und wir sind jetzt auch auf die brückenbauende Funktion der Sachsen angewiesen, um den Kontakt zum Westen nicht zu verlieren. Deshalb ist die Partnerschaft mit Wels und Wiehl wichtig.“ Cretu betonte die positive Rolle der HOG Bistritz-Nösen auch beim Zustandekommen dieser Partnerschaft.

Für Werner Becker-Blonigen, der im September 2015 nach 36 Amtsjahren in den Ruhestand geht, war es wichtig, diese Partnerschaft noch selbst zu besiegeln. In Wiehl, insbesondere in Drabenderhöhe, und im Oberbergischen Kreis haben zahlreiche Siebenbürger Sachsen eine neue Heimat gefunden, sie sind integriert und haben einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Region beigetragen, aber sie sollen nicht vergessen, woher sie kommen. Auch deshalb ist eine solche Partnerschaft wichtig.

Das den Gästen gebotene Rahmenprogramm hatte es auch in sich. Zahlreiche Empfänge, Ausstellungen, Turmbesteigungen, Konzerte auf dem Festplatz und in der evangelischen Kirche und nicht zuletzt Ausflüge nach Colibiţa werden bleibende Eindrücke bei den Besuchern hinterlassen.

Der Gottesdienst am Sonntag in der evangelischen Kirche, zelebriert von Pfarrer Hans Dieter Krauss und Günther Klöss-Schuster, gab Gelegenheit zur Besinnung und für viele ältere Besucher Gelegenheit, zur Erinnerung an ihre Jugendzeit in Bistritz. Ganz besonders beeindruckend war es für Dr. Klausotto Csallner, der 1944 als Zwölfjähriger Bistritz verlassen und erst nach 71 Jahren den Weg zurück in seine Kindheit gefunden hatte.


Dr. Hans Georg Franchy