Drabenderhöhe 07.03.2016

Bericht aus Bistritz,

vom 1. – 3. März 2016 besuchte ich zusammen mit Herrn Wilfried Bast, 1. Stellvertretender Bürgermeister der Stadt Wiehl, Bistritz. Anlass war die feierliche Wiedereröffnung des Gewerbevereins nach zweieinhalbjähriger Renovierung. In Zusammenarbeit mit dem Kulturamt hat das Bürgermeisteramt der Stadt Bistritz dazu ein viertägiges Kulturprogramm vorbereitet.

 

Vorab etwas über die Renovierung des Hauses. Alle Räumlichkeiten des zum Kulturpalast umbenannten Gewerbevereins sind minuziös, detailgetreu und mit viel Liebe renoviert worden. Bei der Besichtigung der Räume wurden bei einem alten Bistritzer so zahlreiche Erinnerungen wach. Kinobesuch in der Kindheit, Konzerte, Theater und viele andere Veranstaltungen fallen einem dabei ein. Die vielen Bällen in der Vorkriegszeit, die in besonderem Maße das gesellschaftliche Leben der Bistritzer mitbestimmt haben, bekannt aus Zeitungsberichten und Erzählungen der Älteren wurden vor dem geistigen Auge wiederbelebt. Die Renovierung ist gelungen, vom Gesamtanblick, von der Beleuchtung bis zu der Bestuhlung in dem großen Saal und den zwei kleinen Räumen stimmt alles. Der Gesamteindruck in grünlichen und weißen Tönen ist harmonisch. Den Architekten und der ausführenden Baufirma muss man Lob zollen.

Zur Eröffnung, vor zahlreichen Gästen und erwartungsvollem Publikum berichtete Bürgermeister Ovidiu Creţu über die Geschichte des Hauses. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten die Zünfte, ihre bis dahin dominante Bedeutung, verloren. Die Handwerker sahen sich mehr und mehr durch den Import von Waren in Bedrängnis. Sie mussten neue Wege gehen. Es entstanden die ersten genossenschaftlichen Zusammenschlüsse und letztendlich 1844 die Gründung des Gewerbevereins. Dieser sollte den Herstellern und Händlern einheimischer Waren neue Impulse geben. 1872 wurden die Zünfte per Gesetz abgeschafft.

Die Mitglieder des Gewerbevereins beschlossen einen Saal zu bauen der sowohl für Versammlungen als auch für gesellige Anlässe genutzt werden konnte. Informationsveranstaltungen über die Einführung von Wasser und Kanal, ebenso über die Vorteile der Elektrizität wurden abgehalten. Wissenschaftliche Vorträge über gesundheitliche Vorbeugemaßnahmen insbesondere wegen der grassierenden Tuberkulose, aber auch über die aufkommende Frauenbewegung, Konzerte und Theateraufführungen beherbergte das Haus des Gewerbevereins. Die Evakuierung der Siebenbürger Sachsen 1944 brachte gravierende Veränderungen. Das Haus wurde verstaatlicht und die neue Nutzung geändert. Nach 1946 wurde der Tanzsaal zu einem Kino und Theaterraum umgebaut. Der vormals flache Raum wurde zu einem schräg verlaufenden Raum, um auch den in den hinteren Reihen sitzenden Zuschauer guten Überblick zu verschaffen. Heute nach dem Umbau und der Renovierung verfügt der Gewerbeverein über 340 sehr bequeme Sitzplätze und es wird aus Sicherheitsgründen darauf geachtet, dass auch nur so viele Personen Einlass finden. Dies hat schon bei den ersten Veranstaltungen zu Unmut geführt. Zahlreiche Bürger blieben verärgert vor den geschlossenen Türen.

Das zum Auftakt gebotene Konzert erfüllte die Erwartungen des Publikums. Im ersten Teil wurde Musik aus bekannten Filmen von dem aus Iaşi angereisten Orchester dargeboten. Nach einem Sektglas im Foyer des Hauses (in dem zwar die in der kommunistischen Zeit entstandenen Wandmosaike beibehalten wurden, lediglich die Zeichen der Diktatur Hammer und Sichel wurden entfernt) wurde im zweiten Teil Oper- und Operettenmusik geboten. Die Mezzosopranistin Asineta Răducan und der Bariton Adrian Mărcan, beide aus Kronstadt angereist, begeisterten das Publikum mit Darbietungen aus den Werken von Johann Strauß, Franz Lehar, Emmerich Kalman, Mozart, Verdi und Bizet.

Am zweiten Abend zur Eröffnung der Theatersaison gab es ein Lustspiel mit hervorragenden Schauspielern aus Bukarest. Am dritten Abend wurden tausende Pop-Musik-Liebhaber auf der Freilichtbühne vor dem Gewerbeverein mit Musik des rumänischen Stars Andra beglückt. Am vierten Abend sollten ebenda die Liebhaber der Volksmusik von dem berühmten Klarinettisten Dumitru Fărcaş und anderen verwöhnt werden.

Ein besonderes Erlebnis war für mich war die vielen engen Gässchen, die früher dunkel und übel riechend waren, nun hellbeleuchtet und sauber restauriert zu erleben. Im Boden, der mit teuren Natursteinplatten ausgelegt ist, kann man immer wieder alte Zunftzeichen entdecken. Die Stadt wird von Tag zu Tag schöner, der Kirchturm, die Promenade, der kleine Ring, nun auch der Platz mit dem Gewerbeverein und die Gässchen laden zum Rundgang ein. Es gibt auch zahlreiche Häuser in der Altstadt an denen nicht nur die Fassaden renoviert wurden. So auch das in der Holzgasse Nr. 16 zum Jugendtreffzentrum renovierte Haus. Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren können die zahlreichen Räume unter Anleitung von 23 ehrenamtlichen Lehrern am Nachmittag nutzen. Räume für Erdkunde, Geschichte, Informatik, Biologie, Handarbeit und Malerei warten auf wissbegierige und talentierte Jugendliche.

Die Umsiedlung von drei deutschen Schulklassen im Spätherbst 2015 hatte für erheblichen Wirbel gesorgt. Wir wollten nun vor Ort sehen wie es den Schülern in der alten Frühm-Villa ergangen ist und ob der Unterricht dort fachgerecht stattfinden konnte. In sauberen, hellen, gut ausgestatteten Klassenräumen konnten wir bei einem unangemeldeten Besuch mit den Schülern sprechen. Der allgemeine Tenor war: es gab keine Nachteile oder Unzulänglichkeiten. Lediglich ein Schüler sagte es fehle ihm der Kontakt in den Pausen zu den anderen Klassen.

Es folgte ein Besuch auf der Baustelle früheren evangelischen Gymnasiums. Was wir sahen war beeindrucken. Was da entsteht kann sich international sehen lassen. Die Grundschulklassen sind in einem neuen Gebäude bestens untergebracht. Alle Klassenräume sind technisch bestens ausgestattet. In dem beinahe fertigen vierstöckigen Nebentakt wo die Klassen V –VIII vorher waren, werden die Klassenzimmer mit bester, moderner Ausstattung kurzfristig fertiggestellt. Ein modernes Internat und eine Kantine sind fertig. Eine Zweifachturnhalle, eine Einfachturnhalle und eine Leichtathletikhalle sind im Bau. Der Sportplatz bekommt einen Rollrasen Belag und eine neue Tartanbahn wird auch bald fertig sein.

1700 Schüler werden in diesem Komplex zurzeit unterrichtet. Es ist eine Zeit mit Unzulänglichkeiten wegen der großen Baustelle. Viele Klassen kommen nachmittags zum Unterricht und wenn in hoffentlich absehbarer Zeit auch das Hauptgebäude renoviert werden soll wird es weiterhin eng zugehen. Es werden noch Jahre vergehen bis alles fertig ist, aber dann kann sich diese Eliteschule sehen lassen.

Es gibt auch Negatives zu berichten. Die Stadt erstickt im Autoverkehr. Es gibt Schlaglöcher und Wasserpfützen die von rücksichtlosen Autofahrern im Eiltempo durchfahren werden so dass das Wasser meterweit spritzt. Es gibt Autos der Luxusklassen und es gibt arme Menschen die nicht wissen wie sie über den Winter kommen sollen.

Wir leben voller Nostalgie und denken an die schöne alte Zeit, die auch nicht immer rosig war. Im Sommer gibt es Kommunalwahlen, wie es danach weiter gehen wird, werden wir erleben. Noch hängt unser Herz an dieser Stadt und auch an den Menschen die dort leben. Sie sind ein Teil unseres Lebens gewesen und werden es bis zu unserem Ende bleiben.

Dr. Hans Georg Franchy

Auf unserer Homepage wir-noesner.de finden Sie einen Video-Clip über den Gewerbeverein und zahlreiche Fotos.                             

Bildergalerie: Gewerbeverein 2016