Preu-ChristlHeute feiert Christl Preu Ihren 80. Geburtstag.
Wir gratulieren herzlich zum Freudentag.

Lebenslinien

Meine Lebengeschichte fängt als Christl Scholtes am 20. 12. 1931 in Bistritz an.

 

Meine Eltern, der Seifensieder Rudolf Scholtes und seine Frau Gerda, geb. Broser, deren einziges Kind ich zwölf Jahre lang war, haben mir eine behütete Kindheit bereitet. Ich wuchs in der Holzgasse zusammen mit Ernst-Friedrich, Horst und Ursula, den Kindern meines Onkels Ernst, dem Bruders meines Vaters und seiner Frau, meiner Trudetante, auf.

 

Als ich 10 Jahre alt war, zogen wir in das selbstgebaute Einfamilienhaus mit großem Garten in die 1. Dezembergasse um, wo dann mein Bruder Peter-Claus im November 1943 zur Welt kam.

 

Der Herbst 1944 brachte die große Wende in meinem bisherigen Leben.Wir mussten flüchten!

Ein deutscher Verpflegungszug, der vom Schwarzen Meer noch rechtzeitig weg konnte, nahm unsere Mütter mit ihren Kindern mit. Die Väter waren ja beim ungarischen Militär.

 

Zunächst fuhren wir zusammen mit Trudetante und ihren vier Kindern, Hanne-Helgard, die zuletzt von Trudetante Geborene, war 5 Jahre alt, mein Brüderchen Peter-Claus 9 Monate. Schon in Ostungarn wurden wir, als wir alle in einen deutschen Lazarettzug umsteigen wollten, von dem wir annahmen, dass er schneller den Westen erreichen würde, plötzlich getrennt. Wir sahen uns erst drei Monate später in Niederschlesien wieder, von wo wir nach drei Monaten, diesmal mit Pferdewagen deutscher Soldaten, zusammen weiterflüchteten.

 

Schon in Sachsen trennten wir uns wieder. Trudetante fuhr mit ihren Kindern weiter ins Ungewisse nach Bayern, während wir nach Norden zogen. Die Mutter unseres „Hamburger Jungen", der ein Jahr vorher bei uns in Bistritz zur Kinderlandverschickung war, hatte uns nach Wien geschrieben: „Sie haben unserem Jungen ein Zuhause gegeben, jetzt wollen wir Ihnen eines geben."

 

Dort erlebten wir das Kriegsende und wurden so gut wie Familienangehörige behandelt. Aber schon im Spätsommer mussten alle Flüchtlinge Hamburg verlassen, um den Ausgebombten Platz zu machen. Wir kamen nach Büsum in Dithmarschen, wo ich später zur Schule ging und auch konfirmiert wurde. Es war zunächst eine schlimme Zeit für uns.

 

1946 kam mein Vater aus der russischen Gefangenschaft über Bistritz, wo er vergebens versucht hatte, die rumänische Staatsbürgerschaft und unser Vermögen zurückzubekommen, auf abenteuerlichen Wegen zu uns nach Büsum.

 

1948 zogen wir nach Düsseldorf, wo mein Vater endlich Arbeit in seinem Beruf gefunden hatte. Ich schloss dort die Schule mit der Mittleren Reife ab. Ich konnte dort noch die Höhere Handelsschule besuchen, weil ein Mitglied der Evangelischen Gemeinde Holthausen mich gegen Mithilfe im Haushalt aufgenommen hatte. Meine Eltern waren inzwischen in Mühldorf am Inn gelandet, wo mein Vater in einer Seifenfabrik als Betriebsleiter arbeitete.

 

1950 zog ich auch hin, in ein möbliertes Zimmer, weil meine Eltern sehr beengt wohnten. Ich bekam sofort Arbeit in einer Flüchtlingsfirma in Waldkraiburg, wohin ich täglich die 12 km meist mit dem Rad fuhr.

 

Mein Vater hatte sich inzwischen, weil er arbeitslos geworden war, in Burglengenfeld/Oberpfalz selbständig gemacht und bat mich, ihm zu helfen. 1953 kündigte ich in Oberbayern und zog zu meinen Eltern, wo ich mich meist als Hausiererin mit Reinigungsmitteln durchschlug. Allmählich konnte mein Vater einige größere Firmen regelmäßig beliefern, was ihm ein bescheidenes Auskommen ermöglichte.

 

Bei einer siebenbürgischen Tagung, wo ich als Schriftführerin aushalf, erfuhr ich von der Möglichkeit, vom deutschen Staat finanzielle Hilfe für eine Ausbildung zu bekommen. So kam ich 1955 auf die Evangelische Wohlfahrtsschule in Ludwigsburg/Württemberg, wo ich 1958 das Staatsexamen als Fürsorgerin machte.

 

Schließlich wurde ich 1960 bei der Firma Siemens in Nürnberg als Betriebsfürsorgerin angestellt und blieb dort gerne bis zu meiner Heirat 1962. Mein Mann, ein Nürnberger, hatte an der Deutschen Schule in Helsinki (Finnland) als Mathematiker und Physiker die Auslandslehrerstelle bekommen.

 

Nach 5 Jahren kehrten wir mit zwei Kindern nach Franken zurück. Mein Mann unterrichtete am Gymnasium in Altdorf bei Nürnberg, wo wir uns ein Reihenhaus kauften.

 

1974 zog es uns wieder ins Ausland. Diesmal war es die Deutsche Schule in Mexiko-Stadt, die natürlich auch unsere Kinder, inzwischen waren es drei, besuchten. Seit 1978 leben wir wieder in Altdorf.

 

Für die Slumschule in Mexiko, die vor allem wir Lehrerfrauen dort aufbauten und betreuten, habe ich hier 30 Jahre mit Hilfe Vieler - natürlich auch ehrenamtlich – weitergearbeitet. Nun haben wir aufgehört, weil wir wissen, dass sich die viele Arbeit gelohnt hat und „unsere" Schule dort auch ohne unsere Hilfe auskommt.

 

Da uns die Arbeit für die Schule in Mexiko so nahe zusammengebracht hat, treffen wir uns weiter regelmäßig. Nur, dass der Inhalt der „Spendendose", die wie früher auf dem Tisch steht, nicht für die Schule in Mexiko gedacht ist, sondern die jeweilige Gastgeberin dafür geben darf, wofür sie ihn am nötigsten hält. „Mein" Geld geht immer nach Siebenbürgen.

 

Seit es möglich ist, dort zu helfen, tue ich es. Nach der Wende konnte ich besonders viel helfen. Zunächst mit Materiellem und später mit Geld. Auch zu meinem 80. Geburtstag habe ich gebeten, mir statt Geschenken, Geld für Siebenbürgen zu geben.

 

Mitglied bin ich beim „Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde", beim „Evangelischen Freundeskreis Siebenbürgen", beim „Verband der Siebenbürger Sachsen" und nun auch bei der „Heimatortsgemeinschaft Bistritz-Nösen".

 

Christl Preu, geb. Scholtes